Sorgen um die Sicherheit
Seit Jahrzehnten informiert die Norder Verkehrswacht über Gefahren im Straßenverkehr und gibt Tipps, damit nichts passiert. Doch die Zukunft des Vereins ist ungewiss
Lesedauer: ca. 3min 29secNorden Die erschreckende Zunahme der Verkehrsunfälle – in Niedersachsen täglich drei Todesopfer und 32 Verletzte – hat den niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr veranlasst, zur Bekämpfung der Gefahren im Straßenverkehr die Verkehrswacht wieder ins Leben zu rufen. Mit diesen Worten wurde im August 1950 die Deutsche Verkehrswacht für das Land Niedersachsen gegründet. Ehrenamtler setzten sich daraufhin dafür ein, dass die Straßen sicherer und Gefahren erkannt wurden.
75 Jahre später sieht es im Bundesland ähnlich schlimm aus: 424 Verkehrstote zählte Niedersachsen 2023. Das waren 54 mehr als im Vorjahr. Und gerade vor wenigen Wochen mussten die Ostfriesen wieder mehrere Todesopfer beklagen, in Norden und im Brookmerland. Das Wissen sowie das Engagement der Verkehrswacht wären jetzt vonnöten. Doch der Verein steckt in schweren Zeiten. Davon können Hajo Reershemius, Nanne Peters und Habbo Appelhoff ein Lied singen.
Die drei gehören zur Norder Verkehrswacht. Reershemius und Peters, ehemalige Polizeibeamte, als Vorsitzender und Beirat, Appelhoff, ehemaliger Lehrer, als Schatzmeister. Drei von rund 60 Mitgliedern in Norden. Und drei, die wie die Mehrzahl der Mitglieder ein gewisses Alter erreicht haben. Nur vier der Norder Mitglieder sind jünger als 60, die meisten deutlich älter. Und Nachwuchs ist nicht in Sicht. Warum eigentlich?
Die Norder Verkehrswacht ist kein „Bespaßungsverein“, erklärt Reershemius. Wer sich der Truppe anschließt, hat eine verantwortungsvolle Aufgabe. Die Mitglieder informieren – bei Festveranstaltungen wie kürzlich dem Erntefest, aber auch in Schulen und Kindergärten, geben Kurse für Erwachsene. Zudem sind sie im Austausch mit dem Landkreis. Weisen auf Versäumnisse hin, geben Anregungen für Verbesserungen. Das kostet auf jeden Fall Zeit. Die 25 Euro Jahresbeitrag sollen nicht verschwiegen werden, sind aber sicherlich kein großer Negativfaktor.
Die Angst nimmt zu
Doch „beim Ehrenamt gibt man nicht nur, sondern bekommt auch“, versichert Reershemius. Bestätigung zum Beispiel. Er weiß ebenso wie seine Mitstreiter, dass durch ihr Engagement Menschen geschützt und gestärkt werden können.
Beispielsweise durch Verkehrserziehung im Schulunterricht. Nur, so erzählen die drei, wird die Nachfrage immer geringer. Kitas fragen gar nicht mehr an. Dabei gehören 25 Prozent der Verkehrswachtmitglieder den Schulen und Kindergärten an. „Die Ängstlichkeit ist größer geworden“, sagen die Norder Ehrenamtler. Lehrer fahren laut den dreien ungern Rad mit den Schülerinnen und Schülern auf der Straße. Schulen setzten auf Mobilitätserziehung statt Verkehrswacht. Dann würden lieber im Matheunterricht Bremswege berechnet werden, als die klassischen Themen der Verkehrswacht zurate zu ziehen. Dabei seien und blieben diese modern, betont Reershemius. Inhalte werden heute zum Beispiel auch per App vermittelt.
Doch es sind nicht nur die Schulen, die zögerlicher agieren. Nanne Peters bietet regelmäßig Kurse für Pedelec- und E-Bikefahrer an, in denen er erläutert, wie die Geräte sinnvoll und sicher benutzt werden. Er gibt Tipps und Tricks mit auf den Weg. Wer seinen Kurs besucht, zeigt sich begeistert und empfiehlt ihn auch weiter. Und dennoch: Einige der angebotenen Kurse finden mangels Nachfrage nicht statt.
Und dabei sind es so viele Erwachsene, die Nachhilfe in Verkehrserziehung bräuchten. Wer sich das kleine Quizblatt vor Augen führt, das die Norder Verkehrswacht an Infoständen ausliegen hat, kommt schnell ins Schwitzen. Oder wie Nanne Peters sagt: „Beim ersten Mal fallen Sie bestimmt durch!“
Fragebögen, aber auch Bilderbücher und Signalwesten – Info- und Werbematerial ist reichlich vorhanden, wenn die Norder Verkehrswacht unterwegs ist. Sie ist gut ausgerüstet und gut vernetzt. Die Mitglieder werden von städtischer Seite unterstützt, natürlich auch von der Polizei. Ein Materiallager steht zur Verfügung. Christiane Büchner, die Präventionsbeauftragte, sei ein „tolles Bindeglied“ zwischen allen Parteien. Der Schwachpunkt sei einzig und allein der Nachwuchs.
Hoffnung schöpfen
Hajo Reershemius ist seit 2006 Vorsitzender der Norder Wacht. Im kommenden Jahr wird ein neuer Vorstand gewählt. Er weiß schon, dass einige Kollegen, die tragenden Rollen übernehmen, sich dann nicht zur Wahl stellen werden. Macht er selbst weiter? Wenn nicht, wer könnte nachrücken?
Solche Fragen beschäftigen das eingespielte Trio. Die drei wissen, dass die Voraussetzungen nicht so groß sein müssen, wie man glauben könnte. Man muss kein Lehrer sein, kein Polizist. Aber mit Menschen solle man gern arbeiten wollen. Ansonsten könne jeder den Job bewerkstelligen. „Auch ein Redakteur“, sagt Hajo Reershemius.
Er wirbt um das Engagement. Berichtet von schönen Lehrgängen, die ihn nach Fulda und Berlin führten. Und weiß dennoch, dass zeitliche Kapazitäten beschränkt sind.
Aber er bleibt optimistisch. Da muss er nur an die Kollegen in Wittmund denken. Vor einem Jahr hörte dort Klaus Wilbers auf. Polizei und Landkreis unterstützten die Suche nach einem Nachfolger. Und dies nach langer Suche nicht nur erfolgreich, sondern mit einem Streueffekt. Plötzlich gab es fünf Neulinge – und alle jung!
Auch die Norder Verkehrswacht gibt die Hoffnung nicht auf. Die Mitglieder wissen, dass Prävention wichtig ist. Denn im Verkehr bleibt es immer gefährlich.