Wandert die nächste Schlüsselbranche ab nach China?
Es lag viel Ärger in der Luft, und wohl auch Frust: Führende Fachleute der Offshore-Windkraftbranche warnten jetzt erneut davor, dass die Bundesregierung ein Abwandern der Turbinenherstellung nach China riskiert. Doch in Berlin tut sich: nichts.
Lesedauer: ca. 2min 43secEmden Der Hallenboden sauber wie geleckt, rund 100 Windkraft-Fachleute – und zwei Elefanten im Raum. Diese heißen „China“ und Robert Habeck. Für die Teilnehmer des zweiten Offshore-Kongresses in der Emder Firma, die früher Bard hieß und heute Wind Multiplikator, waren die Gegner klar.
Nur eines wurde einhellig begrüßt: das von der Bundesregierung angekündigte Ausbauziel von 70 Gigawatt Stromerzeugungsleistung in Nord- und Ostsee. Doch wer profitiert davon? China bietet Offshore-Anlagen günstiger an als deutsche Unternehmen. Der Staat schreibt die Anlagen aus und will es billig.
Warum hilft Berlin nicht?
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Wirtschaftsminister Olaf Lies und der Windkraft-Lobbyist Andreas Mummert aus Berlin sparten nicht mit klaren Worten. Denn Berlin könnte anders, wenn es wollte. Davon sind beide überzeugt. Aber Berlin will nicht – oder sieht das Problem nicht.
„Wir müssen aufpassen, dass wir nicht große Teile der Wertschöpfung an China verlieren“, sagte Lies. Er nannte die Ausschreibungsbedingungen des Bundes „völlig inakzeptabel“, denn sie sorgten nicht dafür, dass deutsche oder europäische Hersteller von Windkraftanlagen den Zuschlag bekämen. Robert Habeck kenne das Problem, doch er ändere es nicht.
Im Kreuzfeuer: Minister Robert Habeck
Vier Wochen zuvor war Habeck bei Enercon zu Gast; dort bekam er die gleiche Kritik. Er sprach dann davon, dass man „grünen Stahl“ als Bedingung für eine Auftragsvergabe fordern könne. Dann wäre China zunächst raus, könne aber auf Zeit wohl auch diesen liefern.
Als einen Schlag ins Gesicht dürften die Diskutanten wohl die Ausführungen einer Unterabteilungsleiterin des Habeck-Ministeriums, Dania Röpke, empfunden haben. Sie war per Video zugeschaltet. Nach ihren erschöpfenden Auskünften war klar: Schnelle Hilfe ist nicht zu erwarten. Lies: „Die wollte nur billigen Strom.“ Er könne es nicht nachvollziehen, dass das Ministerium die Ausschreibungen nicht verändert, und zwar so, dass heimische Unternehmen eine reale Chance hätten. Unter den Anwesenden kam die Frage auf, ob Habeck sein Ministerium eventuell nicht im Griff hat. Es gab keine Antwort. Nur verräterische Stille. Selbst Heiko Messerschmidt, bei der IG Metall für die Unternehmen der Windkraftbranche zuständig, hatte kurz zuvor gegenüber einem Fernsehsender ausweichend geantwortet. So richtig verderben mit Habeck will es sich offenbar niemand.
„Wir machen immer die gleichen Fehler“
Oberbürgermeister Tim Kruithoff konnte nur schwerlich an sich halten, angesichts der offenbaren Machtlosigkeit. „Es werden immer wieder die gleichen Fehler gemacht“, sagte er. Der Marineschiffbau sei in Billiglohnländer abgewandert, jetzt die Offshore-Turbinen, die Batterien für E-Autos werden in China gebaut. Immer wieder lasse Deutschland es zu, dass Schlüsseltechnologien abwandern.
Und vom Photovoltaikdesaster in den 2000er-Jahren sprach er noch nicht mal. Diese Technologie blühte damals in Deutschland. Dann strich die schwarz-gelbe Regierung die Einspeisevergütung zusammen. Deutsche Hersteller gingen pleite oder wurden verkauft – nach China. Inzwischen beherrschen die Chinesen den Weltmarkt. Diese Wirtschaftspolitik mit der ideologischen Brechstange war es wohl, was Kruithoff meinte.
An den Löhnen liegt es angeblich nicht
Und dann gibt es noch die hohen Löhne in Deutschland, die Arbeit und damit Produkte teuer machen. Eben auch Offshore-Turbinen. Doch bei diesem Punkt herrschte große Einigkeit bei Olaf Lies (SPD) und Gewerkschaftsvertreter Hammerschmidt (vermutlich SPD): Nein, daran liege es nicht. Hohe Löhne bedeuten hohen Konsum, warf Lies ein. Und auch der Gewerkschafter betonte, vorhersehbar: „Über niedrigere Löhne werden wir nicht wettbewerbsfähiger.
Die Elefanten standen auch zum Schluss der Konferenz im Raum. Niemand konnte sie am Rüssel packen.