Wenn Vergessen das Leben beeinflusst
Die Theaterwerkstatt führte im KVHS-Forum ein beklemmendes Stück über Demenz auf. Der Abend war zeitgleich Werbung für ein Angebot für Betroffene.
Lesedauer: ca. 2min 24secNorden Anlässlich des Weltalzheimertages, der in diesem Jahr am 22. September begangen wurde, lud das Mehrgenerationenhaus (MGH) in Norden in der darauf folgenden Woche zu einer ganz besonderen Veranstaltung in das Forum der Kreisvolkshochschule (KVHS) ein: Die Theaterwerkstatt Rosenstraat 13 aus Marienhafe gastierte mit dem Stück „Tage wie Nächte“ von Josef Rödl, das sie im Februar mit viel Erfolg in ihrem Zimmertheater am Grünen Weg 13 aufgeführt hatte. Rund 60 Interessierte waren der Einladung gefolgt und bedankten sich am Ende mit Standing Ovations bei Gesa Dirks und Peter Spetzke für ihr intensives, bewegendes Spiel. Um die Technik – unter anderem wurden historische Fotos und Filmsequenzen eingeblendet – hatte sich Benjamin Oldewurtel gekümmert, während die Regisseurin und Rosenstraat-Vorsitzende Anika Camp soufflierte.
Gesa Dirks verkörperte sehr überzeugend die 77-jährige Marie, die an ihrem Geburtstag von ihrem Sohn (Peter Spetzke) aus dem Pflegeheim abgeholt wird. Doch sie erkennt die Wohnung nicht mehr, in der sie einst gelebt hatte. Auch ihr Sohn ist ihr fremd, und sie hat vergessen, wie viele Kinder sie hat. Immer wieder lässt ihre Erinnerung sie im Stich, und dann wieder weiß sie ganz genau, was sich an welchem Tag im Zweiten Weltkrieg ereignet hat.
Treffen mit dem Vater
Dank der Erinnerungen wird sie in vergangene Zeiten zurückversetzt; sie begegnet ihrem Vater, dem Kriegsverbrecher, und lässt das erste Mal mit ihrem vor 18 Jahren verstorbenen Mann Revue passieren (in beiden Rollen glänzt erneut Peter Spetzke). Sie hat auch nicht vergessen, dass er ihr verbot, zu arbeiten und den Führerschein zu machen. Erinnerungen sind für Marie Pflicht, denn ohne Erinnerungen sind Tage wie Nächte.
Doch findet sich die Demenzkranke nicht mehr in der Gegenwart zurecht. Immer wieder wird sie von ihrem Sohn allein gelassen, und dann verzweifelt sie, weil es ihr nicht gelingt, ihren Mantel auszuziehen. Auch das immer wieder penetrant klingelnde Telefon versetzt sie in Angst und Schrecken, und die Mahlzeiten werden für sie zum Horror, weil sie nicht mehr mit dem Löffel umgehen kann, was ihren Sohn in Rage versetzt. Die angekündigten Geburtstagsgäste kommen alle nicht. Die Töchter haben sich von ihr losgesagt, für den Sohn ist sie eine Belastung. Kinder sind „eine Vereinbarung für Vereinsamung“, erkennt Marie am Ende ihres Lebens.
Angebot zur Hilfe
Wie das Stück beklemmend vor Augen führt, ist Demenz eine enorme Bürde für Betroffene und Angehörige. MGH-Leiterin Eva Mathias wies am Ende des Abends auf das Demenzcafé im Mehrgenerationenhaus hin, das an jedem letzten Donnerstag im Monat in der Zeit von 15 bis 16.30 Uhr geöffnet ist. Hier werden Angehörige entlastet und beratend unterstützt und Menschen mit Demenz begleitet und aktiviert.