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10. Februar 2025, 16:59 Uhr

Ausbildung bei VW: Wo sind die ganzen Bewerber hin?

Bisher war eine Ausbildung bei VW in Emden wie ein Sechser im Lotto für junge Menschen: guter Arbeitgeber, gutes Geld, attraktive Produkte und eine Übernahmegarantie. Doch das hat sich geändert, Bewerber fehlen. Am Montag schlug der Betriebsrat Alarm.

Lesedauer: ca. 3min 02sec
VW

Engagieren sich für steigende Bewerberzahlen (v. l.): Betriebsrätin Manuela Sonnenberg, Anneke Schoolmann und Jürgen Franzen (Jugend- und Auszubildendenvertretung). © Stefan Bergmann

Emden Früher rannten die Bewerber VW am Larrelter Polder die Türen ein. Doch das hat sich geändert. Schon im vergangenen Jahr konnte Volkswagen seine 99 Azubi-Stellen nicht mehr vollständig besetzen, und auch in diesem Jahr sieht es schlecht aus. Das sagte jetzt der Betriebsratsvorsitzende Manfred Wulff. Im Jahr 2023 konnten 40 der 99 Stellen nicht besetzt werden.

„Das schulische Niveau nimmt ab“

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Die Gründe sieht Wulff vor allem in der immer schlechter werdenden Qualität der Bewerbungen. „Das schlechte Niveau der schulischen Ausbildung wird inzwischen sehr auffällig“, sagt Wulff. Früher brauchten Bewerber einen Notenschnitt von mindestens 3 („befriedigend“). Doch inzwischen sehe man immer mehr Zeugnisse mit 5en. Ein Ausschlusskriterium. Doch das ist nicht der einzige Grund.

Der Tarifkonflikt macht VW weniger attraktiv

Wie viele andere Betriebe auch merkt VW, dass die geburtenstarken Jahrgänge langsam auslaufen. Landauf landab klagen Unternehmen, dass sie kaum noch Auszubildende finden. Jetzt ist die Not auch bei VW angekommen. Flatterten früher schon mal 1500 oder 2000 Bewerbungen pro Jahr ins Haus, so waren es im vergangenen Jahr nur 500 für die knapp 100 Azubi-Stellen. In diesem Jahr sind „nur“ 350 Bewerbungen eingegangen, aber die Frist läuft noch.

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VW-Betriebsratsvorsitzender Manfred Wulff: „Es ist ein Dilemma.“ © Stefan Bergmann

Wulff und die Vorsitzende des Ausbildungsausschusses im Betriebsrat, Manuela Sonnenberg, wissen aber auch, dass es noch ganz andere Gründe gibt für die Zurückhaltung: Die Unsicherheit, die der Tarifkonflikt im vergangenen Jahr verursacht hat. Der Konzern hatte angesichts von Überkapazitäten die Notbremse gezogen und dem Gesamtbetriebsrat bittere Zugeständnisse abgerungen: Nullrunde, Streichung von Bonus-Zahlungen, eine Personal- und Kostenreduzierung sowie die Steigerung der Produktivität. Im Handstreich wurde eine ganze Hierarchieebene gestrichen, was für Unmut in den Werken sorgte. Und auch an die Ausbildung wurde die Axt angelegt.

Weniger Azubis, aber die Übernahmegarantie ist gerettet

VW will künftig statt 900 nur 600 junge Menschen pro Jahr ausbilden und so Geld sparen. Gewerkschaft und Betriebsrat mussten zähneknirschend zustimmen, konnten aber einen wichtigen Punktsieg „in harten Verhandlungen“, wie Wulff sagte, heraushandeln: Ursprünglich wollte VW auch die Übernahmegarantie der Azubis nach abgeschlossener Ausbildung abschaffen. Das ist jedoch nicht passiert.

Die Reduzierung der Azubi-Zahlen bedeutet für das Emder Werk, dass ab nächstem Jahr nur noch 66 statt 99 Stellen vergeben werden können.

Dies alles sei die Ursache für den Bewerbermangel, sind sich Wulf und Sonnenberg sicher. Doch es gibt noch einen anderen Grund.

Ein Test, der kein echter Test mehr ist

So mussten früher alle Bewerber direkt im Werk einen Test absolvieren, in dem beispielsweise Allgemeinwissen, Mathematik und Selbsteinschätzung abgefragt wurden. „Inzwischen passiert das nicht mehr im Werk, sondern die Bewerber bekommen den Test nach Hause geschickt und müssen ihn dort machen“, berichtet Jürgen Franzen, der stellvertretende Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung des Emder Werks.

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Anneke Schoolmann und Jürgen Franzen: „VW bietet gute Rahmenbedingungen“ © Stefan Bergmann

Die Folge: „Früher hat man gelernt, hat sich vorbereitet, hat ausgeschlafen und kam dann hier her. Jetzt macht man es nebenbei zu Hause“, so Franzen, „der Test wird nicht mehr richtig ernst genommen“. Entsprechend schlecht seien die Ergebnisse. Das Motiv von VW sei klar: Man will sich die langen Testreihen im Werk sparen.

Es gab viel Schönwetter auf der Pressekonferenz am Montag.

Es stimme nicht, dass VW seine hoch qualifizierten ausgelernten Azubis dann an die Linie stelle, um Autos zusammenzuschrauben (es seien laut Wulff nur 15 Prozent kurz nach der Ausbildung, und damit die wenigstens im VW-Konzern), das Niveau der Ausbildung lasse nicht nach, neben der Arbeit gibt es viele Lern- und Spaß-Aktionen und dazu - nicht ganz unwichtig - mit 1187 Euro im ersten Lehrjahr einen guten Lohn, vergleichbar mit der übrigen Wirtschaft. Dazu kommen allerdings noch VW-typische Sonderzahlungen. Am 15. Februar (Sonnabend) gibt es einen Azubi-Info-Tag. Von 9 bis 14 erzählen die Azubis, warum man sich bewerben sollte.

Doch eines konnten alle Anwesenden nicht wegdiskutieren: VW fährt die Azubi-Stellen herunter auch mit dem Argument, dass es ja immer weniger Bewerber gebe. Touché.

„Es ist ein Dilemma“, sagt Wulff.

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