Anzeige

Anzeige

Zum Artikel

Erstellt:
1. Februar 2025, 06:05 Uhr

Ein Stück Großheide geht verloren: Bäckerei Dollmann hört auf

Kunden kamen von weit her, um das berühmte Schwarzbrot zu kaufen. Doch nun gehen Adele und Hans-Hermann Dollmann in den Ruhestand – und niemand tritt in ihre Fußstapfen.

Lesedauer: ca. 3min 54sec

Großheide Für viele gehört sie fest zum Alltag: die Bäckerei Dollmann. Ob frische Brötchen zum Frühstück, Torten für besondere Anlässe oder ein kurzer Plausch an der Ladentheke – hier war Backen noch echtes Handwerk, mit Leidenschaft und gelebter Tradition. Doch nun ist die Zeit gekommen, Abschied zu nehmen. Ab Februar bleibt der Ofen kalt, und der Laden schließt seine Türen. Adele und Hans-Hermann Dollmann gehen in den Ruhestand. Nach fast einem Jahrhundert und drei Generationen geht eine Ära zu Ende. Mehrere Gründe haben dafür gesorgt, dass sich Dollmanns für diesen schwierigen Schritt entschieden haben.

Ein Stück Großheide geht verloren: Bäckerei Dollmann hört auf

Problem: Nachfolger und steigende Kosten

„Wenn ausverkauft ist, dann ist auch Schluss“, sagt Adele Dollmann. Bis zum Ende des Monats wehte noch der frische Geruch des Backwerks durch das Geschäft. Ende letzten Jahres zu Weihnachten hat das Ehepaar Dollmann den Entschluss gefasst und mit dem Abverkauf begonnen. Die Rente ist in greifbarer Nähe und das Paar hat keine Kinder, die die Bäckerei übernehmen können. Die Mitarbeiter haben ebenfalls kein Interesse an der Selbstständigkeit. An der Theke im Verkauf hat Adele Dollmann, gelernte Konditoreifachverkäuferin, zuletzt allein gestanden. Denn auch hier fiel es immer schwerer, jemanden für die Arbeit zu finden. „Ohne den Rückhalt meiner Frau wäre hier nichts gelaufen“, so Hans-Herrmann Dollmann. Denn seitdem er Anfang der 90er das Geschäft von seinem Vater übernommen hatte, unterstützte sie ihn bei der Arbeit und mit unzähligen zusätzlichen Stunden.

Ursprünglich war das Geschäft auch ein Lebensmittelladen – erst in den 90ern hat man sich immer weiter auf den Bäckereibetrieb spezialisiert. Foto: privat

Ursprünglich war das Geschäft auch ein Lebensmittelladen – erst in den 90ern hat man sich immer weiter auf den Bäckereibetrieb spezialisiert. Foto: privat ©

Kunden sind von weit über die Grenzen Ostfrieslands hinweg gekommen, um sein Schwarzbrot zu kaufen. Denn das war das Aushängeschild der Bäckerei. Seine Arbeit als Konditor wurde auf Hochzeitsfeiern gern gesehen und der Teekuchen wurde von Bestattern empfohlen. „Das Geschäft lief gut“, so der Bäckermeister.

Auch seine Brötchen und Torten hat er nicht zu den Preisen angeboten, die er im Vergleich zu den großen Konkurrenten hätte nehmen müssen.

„Die aktuelle Politik ist für Kleinstbetriebe tödlich“, so Dollmann. Die Verbraucher können sich kaum noch leisten, nicht zum Massenprodukt zu greifen – zeitgleich steigen die Kosten für Mitarbeiter, Zutaten, die Umsatzsteuer und Handelskammer. Als Beispiel für das Problem nennt er die Einkaufspreiskontrolle: So hatte kurz vor Weihnachten die Molkerei die Sahnepreise um 25 Cent erhöht und die Einkäufer, die ihn beliefern, haben dem zugestimmt. Dabei hatten seine Kunden die Torten bereits bezahlt. Und im Nachhinein weiteres Geld zu verlangen, sei für ihn undenkbar.

Dollmanns Motto: „Kein Genuss ist vorübergehend; denn der Eindruck, den er zurücklässt, ist bleibend“ – Goethe.

Dollmanns Motto: „Kein Genuss ist vorübergehend; denn der Eindruck, den er zurücklässt, ist bleibend“ – Goethe. © Edzards-Tschinke met

Diese Mehrkosten hätte er auf die Kunden umlegen müssen, sodass diese sich noch weniger leisten können. Dollmann kann nur mit dem Kopf schütteln. Denn auch wenn seien Torten und Backwaren den Kunden schmecken, wenn sie bei Familienfeiern auf den Tisch kommen – Es sind trotzdem nur die Älteren ins Geschäft gekommen und die Jüngeren greifen eher zum Massenprodukt.

Modernisieren würde Hunderttausende kosten

Dazu kommen die Kosten, wenn er sein Geschäft auf den für 2025 geforderten Standard bringen wolle. „Das sind sicher Hunderttausende Euro, die ich in den Laden investieren müsste“, so Hans-Herrmann Dollmann. Das Kassensystem muss digitalisiert werden, sodass er der Meldepflicht nachkommen kann. Kartenzahlung sei ebenfalls ein Problem. Hierfür müsste seiner Ansicht nach auch das Glasfasernetz stehen, was in der Gemeinde eher schleppend vorangeht.

Die Geräte müssen erneuert werden, um Umweltauflagen zu erfüllen. „Energieeffizienz, bessere Geräte, Wärmerückgewinnung. Dabei kann mein Ofen noch mindestens 20 bis 30 Jahre laufen.“ Und die neuen Gesetze müssten nun einmal umgesetzt werden. Die Kosten soll er aus eigener Tasche zahlen. Der Staat fördert Betriebe seiner Größe nicht. „Man kann das nicht mehr alles mit Selbstständigkeit finanzieren“, so der Bäcker, „wir wirtschaften uns nach unten.“ Er selbst ist über 60 Jahre alt, entsprechend hätte sich die Investition aus seiner Sicht nur mit einer Nachfolge gelohnt.

Das Schwarzbrot aus der Familienbäckerei war über die Grenzen Ostfrieslands bekannt. Archivfoto

Das Schwarzbrot aus der Familienbäckerei war über die Grenzen Ostfrieslands bekannt. Archivfoto © Stromann str

Dazu kommt, dass die Welt immer schneller geworden sei. Für Werbung in den sozialen Medien müsste er einen Fachmann beauftragen. Mit einem Blick auf die Konkurrenz sagt er: „Es ist schwierig, noch mitzukommen.“ Am Ende habe es auch keine Zeit mehr für das Privatleben gegeben: Trotz „freier“ Tage in der Woche. „Dann musste alles gemacht werden, was privat liegen geblieben ist“, von Rasenmähen bis zur Steuererklärung. Auch mehr Arbeit als Freizeit.

„Wir waren hier wie eine Familie“

Immer war die Frage um die Sicherheit der Mitarbeiter im Hinterkopf. „Was ist, wenn es einen Unfall gibt? Läuft dann alles weiter? Wir werden schließlich auch nicht jünger“, so der Bäckermeister. Jetzt ist dem Ehepaar Dollmann viel Ballast von den Schultern gefallen. Einfacher ist es aber nicht geworden, den Mitarbeitern, die das Unternehmen, seit 35 und zwölf Jahren, inklusive Ausbildung in der Backstube oder sechs Jahren im Verkauf begleitet haben, die Kündigung auszusprechen. Ausbilden wollt das Paar in der Bäckerei am Ende nicht mehr, denn die Sicherheit der Mitarbeiter war, Dollmanns immer wichtig.

„Jetzt können wir sagen, wir haben vernünftig aufgehört“, so der Bäcker, „auch wenn ich immer gern gebacken habe und die Gespräche mit den Kunden und Kollegen fehlen werden.“

1905 absolvierte Johannes Dollmann – Großvater von Hans-Hermann Dollmann – die Bäckermeisterprüfung und eröffnete die Bäckerei.

1905 absolvierte Johannes Dollmann – Großvater von Hans-Hermann Dollmann – die Bäckermeisterprüfung und eröffnete die Bäckerei. ©

Viele Menschen sind mit dem Laden groß geworden, sagt Adele Dollmann. Azubis, die in das Unternehmen gekommen sind, hat sie schon bei Handyverträgen geholfen oder gezeigt, wie man mit Ofen und Herd umgeht.

Auf der anderen Seite der Theke hat sie gesehen, wie einstige Kinder als Erwachsene zurück ins Geschäft gekommen sind und erzählt haben, was in ihrem Leben passiert ist oder selbst Kinder mitgebracht haben.

Die Zukunft lassen die beiden jetzt auf sich zukommen. Auf alle Fälle wollen sie Familienmitglieder besuchen, die schon oft gefragt haben, wann die beiden vorbeikommen. „Jetzt haben wir auch die Zeit dafür“.

Das könnte Sie auch interessieren:

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen