Mit Ostfriesentee nach Zentralamerika
Der engagierte Nico Kemena geht für ein Jahr nach Costa Rica. Er will dort arbeiten und Erfahrungen sammeln. Eine Angst begleitet ihn aber.
Lesedauer: ca. 3min 52secNorden Tee und Kluntjes wird er als Geschenk für seine Gastfamilie einpacken. Das hat sich Nico Kemena fest vorgenommen. Für mindestens elf Monate geht der junge Norder nach Costa Rica, um dort zu arbeiten, die Kultur kennenzulernen und neue Erfahrungen zu sammeln. Es scheint wie der konsequente nächste Schritt eines Menschen, der immer etwas machen möchte, was es noch nicht gibt.
In seiner Heimat ist Kemena bekannt wie ein bunter Hund. Wenn er über die Straße geht, wird er gegrüßt. Für ihn sei das surreal, schließlich sei er ein ganz normaler Typ. Aber irgendwie dann doch nicht.
Der 21-Jährige gehört dem Norder Jugendparlament an, setzt sich für die Umwelt ein und für die queere Community. Im vergangenen Oktober war er Mitorganisator des Herbst Prides, der Demonstration für Gleichberechtigung und Vielfalt. Dies sei der bis dato „selbstoffenbarenste Moment“ seines Lebens gewesen, sagt er, immer noch sichtlich begeistert, was seine Mitstreiter und er auf die Beine gestellt haben. Der Tag, aber auch die Vorbereitung brachten ihn in seiner Persönlichkeit weiter. Ein ähnliches Ergebnis erhofft er sich von seinem Costa-Rica-Aufenthalt.
Spenden organisieren
Mit Unterstützung des Vereins AFS Interkulturelle Begegnungen und des Programms Weltwärts reist Nico Kemena Ende Januar nach Cartago, wo er einen Intensivkurs in Spanisch machen wird. Der Landessprache ist er nämlich noch gar nicht mächtig. Von dort aus geht es weiter in die Hauptstadt San José, wo er leben und arbeiten wird. Für die Kosten kommt AFS auf.
Das Weltwärts-Programm finanziert sich zwar durch Spenden, Kemena sollte aber selbst schauen, dass er Geldgeber motivieren konnte. In Norden war ihm dies möglich, sicherlich auch durch sein bisheriges Engagement. Die Namen derer, die ihn unterstützten, sind zum Teil stadtbekannt. Andere Teilnehmer des Programms erreichten das Spendenziel nicht. Das wirkt sich auf die Gemeinschaft aus: AFS bezahlt zwar Flug und die Unterkunft für Kemena und 25 weitere Engagierte. Ein Taschengeld, wie in früheren Jahren, gibt es aber nicht. Nico Kemena macht sich aber keine Sorgen: Er hat fleißig gespart, um in Costa Rica auch etwas erleben zu können.
Lang gehegter Wunsch
Die Idee, ins Ausland zu gehen, hatte der einstige Schülervertreter schon seit mehreren Jahren. Ab der zehnten Klasse interessierte er sich für einen Freiwilligendienst, der sich an seine Schullaufbahn anschließen sollte. Früher, dachte er, müsse er möglichst weit weg gehen, um Erfahrungen sammeln zu können. Diese Einstellung habe sich mittlerweile etwas geändert. Wohl auch dank solcher Erlebnisse wie dem Herbst Pride, den er in die guten Hände des kürzlich gegründeten queeren Vereins um Vincent Diekmann übergibt. Am 11. Oktober findet die zweite Auflage statt. Dann ist Nico Kemena noch in Costa Rica.
Dass er nach Zentralamerika geht, war nicht geplant. Anfangs hieß Kemenas Ziel Israel. Die politische Lage verhinderte den Plan.
Als Nächstes war Ghana angedacht, ein Platz war bereits sicher. Doch dann erfuhr Kemena, dass er dort wohl nicht so leben könnte, wie er wollte. „Ich will meine Sexualität nicht unterdrücken“, sagt er. Jetzt kam Costa Rica ins Spiel. „Das war nicht in meiner Top Five“, berichtet er in seiner Jugendsprache, die deutsche und englische Begriffe bunt mischt.
Mittlerweile hat er sich über das Land informiert und freut sich. Auch, weil er den Blickwinkel verrücken wird. Der Politikinteressierte weiß um die deutschen Diskussionen um Flüchtlinge und Integration, um Ausweisungen und Rückführungen. Jetzt wird er selbst Fremder in einem anderen Land. Was erwartet ihn? Was nimmt er später mit in die Heimat?
Wenn Nico Kemena zurückkehren wird, könnte sich Deutschland verändert haben. Im Februar wird ein neuer Bundestag gewählt. Was wird die neue Regierung dann für die Gesellschaft bedeuten? Das ist für Nico Kemena zweitrangig, solange keine extreme Rechte regiert. Denn für ihn steht fest, dass er sich auf jeden Fall engagieren wird. In der Politik, in Vereinen. Norden sei „unfertig“. Das mache die Stadt für ihn attraktiv. Er will etwas bewegen. Und er wird sich auch nicht von Kritik abhalten lassen, die er beispielsweise im Netz mitbekommt. Der müsse man sich stellen.
Sein langjähriges Engagement in den unterschiedlichsten Bereichen begründet Nico Kemena mit einem einfachen Satz: „Ich liebe Menschen.“ Dann führt er aus: „Ich freue mich, Menschen zu sehen und gesehen zu werden.“ Es setze bei ihm Energie frei, wenn er Menschen glücklich machen könne.
Farbenfrohes Land
So könnte es jetzt in Costa Rica gelingen. Kemena wird in San José mit Kindern und Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen arbeiten und sie im Bereich Kunst unterstützen. Er soll sie im Rahmen des Weltwärts-Programms entsprechend anleiten, betreuen und fördern.
Kemena ist selbst künstlerisch aktiv. Als Ausgleich zu den kommunikationslastigen Aufgaben malt er expressionistische Bilder. In Ruhe und für sich allein. Einige Gemälde wurden in Norden ausgestellt. In Costa Rica, so hofft er, wird er seine künstlerische Ader erweitern. Costa Rica sei ein farbenprächtiges Land.
Ein bisschen Angst hat er vor dem großen Abenteuer natürlich dennoch. Vor allem vor der Sprachbarriere. Aber er habe „Bock auf Angst“, wolle die Herausforderung angehen. Daher hat er bereitwillig seine 32-seitige Bewerbung ausgefüllt. Er nimmt in Kauf, dass er zwölfeinhalb Stunden in einem Flugzeug unterwegs sein muss. „Mein grünes Herz blutet“, bekennt er. Seiner Gastfamilie verriet er Vorlieben, Stärken und Schwächen, ohne etwas über sie zu wissen. Die Menschen, bei denen er wohnen wird, kennt er nämlich noch gar nicht. Doch Nico Kemena ist optimistisch, dass Hürden schnell überwunden werden. Auch dank des Ostfriesentees in der Reisetasche.