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16. November 2023, 18:07 Uhr

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Nordseeheilbad-Status ist nicht gefährdet

Die letzte Ärztin verschwindet aus Norddeich. Das hat jedoch keinen Einfluss auf den Status als Nordseeheilbad

Lesedauer: ca. 3min 34sec
Nordseeheilbad-Status ist nicht gefährdet

Norden Es ist Fakt: Am 15. Dezember schließt Dr. Martina Arends, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Chirotherapie in Norddeich, ihre Praxis. Der Pachtvertrag für die Immobilie ist nicht verlängert worden. Die Patienten dort sind aufgefordert, ihre Akten abzuholen. Viele von ihnen sind von der Nachricht überrascht worden, sind enttäuscht und auch hilflos, denn sie wissen nicht, an welche Mediziner sie sich nun wenden können. Die meisten Hausarztpraxen sind überlastet und nehmen keine neue Patienten mehr auf.

Doch mit der Praxisschließung gibt es ein weiteres Problem: Ein Nordseeheilbad wie Norddeich benötigt einen Badearzt beziehungsweise eine Badeärztin. Bislang hat Dr. Martina Arends diese Aufgabe wahrgenommen. Da stellt sich die Frage, ob Norddeich nun mit dem Weggang der Badeärztin seinen Status als Nordseeheilbad verliert. Nach den Vorgaben des Landes Niedersachsen muss in einem Ort mindestens ein kassenärztlich zugelassener Kur-/Badearzt niedergelassen sein, um die Anerkennung zum Nordseeheilbad zu erhalten.

Thema im Rat

Nordens Bürgermeister Florian Eiben äußerte sich in der letzten Ratssitzung zu dem Thema, nachdem in der Einwohnerfragestunde von einer Einwohnerin auf die Misere in Norddeich hingewiesen worden war. Ein weiterer Grund für die Praxisaufgabe sei wohl, dass es bei einem geplanten Umzug in neue Praxisräume offensichtlich Meinungsverschiedenheiten mit dem Norder Bauamt hinsichtlich der Nutzungsänderung gegeben habe, werde in Norddeich erzählt.

Eiben nahm das Bauamt jedoch in Schutz. Er selbst habe Dr. Arends zugesagt, ihr bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten zu helfen und sie zudem noch auf die vom Rat im Jahr 2022 erlassene Förderrichtlinie für die Unterstützung von Ärzten aufmerksam gemacht. Danach können Mediziner – wie berichtet – bei Neuansiedlungen in Norden-Norddeich unter anderem Zuschüsse für Praxisinventar beantragen. Die Stadt hält dafür jährlich etwa 100 000 Euro im Etat vor.

Arends habe vorgehabt, in eine ehemalige Physiotherapie-Praxis umzuziehen, so Eiben. Nach seiner Meinung hat letztlich ein Missverständnis dazu geführt, dass die Ärztin das Handtuch geworfen hat und ihre Praxis ganz aufgibt. Für den Umzug in die potenziellen neuen Räume habe die Stadt eine Darstellung der Parkplätze auf dem Areal haben wollen. Eine Nutzungsänderung, beziehungsweise die Genehmigung dafür, sei in diesem Fall also gar nicht notwendig gewesen.

Er sei daher selbst von der Praxisschließung und von dem Vorwurf, dass das Bauamt das Verfahren hinausgezögert habe, überrascht worden, sagte Eiben. Er habe noch kurz vorher mit ihr gesprochen und ihr extra angeboten, sich bei ihm zu melden, sollte es Probleme geben. Das habe Dr. Martina Arends nicht getan. Stattdessen habe sie mitgeteilt, ihr habe das Warten auf eine schriftliche Genehmigung zu lange gedauert. Deshalb habe sie sich zur gänzlichen Schließung entschieden. Daran sei nun nichts mehr zu ändern. Die Stadt habe aber alles Notwendige unternommen, um sie zu unterstützen, betonte Eiben.

In der Ratssitzung meldet sich auch Dr. Hans-Joachim Winterling, in der Ubbo-Emmius-Klinik Norden (UEK) zuständig für den Transformationsprozess, zu dem Thema zu Wort. Nach seinen Angaben hat die UEK Arends ebenfalls angeboten im Norder Klinikgebäude eine Praxis zu eröffnen. Die Verantwortlichen der UEK hätten jedoch von Arends nach längerem Warten eine Absage erhalten.

Dr. Martina Arends selbst war – trotz mehrmaliger Anfrage unserer Zeitung – nicht bereit, sich in dieser Angelegenheit zu äußern.

Nordseeheilbad

Die Sorge, dass Norden-Norddeich mit der Praxisschließung von Arends den Status als Nordseeheilbad verlieren könnte, ist offensichtlich aber unbegründet. Wie Christian Budde, Pressesprecher des niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, auf Nachfrage erklärt, ist das Vorhandensein eines Badearztes oder einer Badeärztin direkt in Norddeich für die staatliche Anerkennung als Nordseeheilbad nicht zwingend erforderlich. Es sei ausreichend, auch mit sogenannten „Filial-Lösungen“ zu arbeiten. Als mögliche Beispiele nannte er unter anderem die Einrichtung einer Online-Sprechstunde, Errichtung einer „Zweig-Praxis“ (nur an bestimmten Tagen/Zeiten vor Ort), Badearzt in Rufbereitschaft und Ähnliches. Wichtig sei, dass für Kurpatienten die Möglichkeit bestehe, einen kassenrechtlich zugelassenen Kur- oder Badearzt zu kontaktieren und medizinische Verordnungen zu erhalten.

Diese Gelegenheit ist in Norden gegeben, denn der Kinderarzt Dr. Wilfried Lüdeking und die Allgemeinmedizinerin Dr. Simone Lüpkes sind als Bade-/Kurärzte ausgewiesen. So steht es zumindest jeweils in ihrem Online-Auftritt.

Apotheke

Eine Apotheke gibt es in Norddeich ebenfalls schon seit Langem nicht mehr. Eine Apotheke vor Ort wäre wünschenswert, aber nicht erforderlich, sagt Budde. Zwingende Voraussetzung sei jedoch, dass in Norddeich eine ordnungsgemäße Versorgung der Kurpatienten mit Arzneimitteln sichergestellt werde. Es sei beispielsweise ausreichend, wenn Arzneimittel online oder telefonisch bestellt werden könnten und Medikamente mit einem Lieferservice nach Norddeich gebracht würden.

Physiotherapie

Auch die Physiotherapie-Praxis in Norddeich will nach KURIER-Informationen aufgeben. Hierzu erläutert Budde: Es müsse gewährleistet werden, dass es in Norddeich die Möglichkeit gebe, medizinisch-therapeutische Anwendungen (darunter auch Physiotherapie) in Anspruch zu nehmen. Diese Anwendungen müssten nicht zwingend über eine Physiotherapie-Praxis abgedeckt werden, sondern könnten zum Beispiel auch im Rahmen von ambulanten Leistungen in den ortsansässigen Kliniken stattfinden. Wie berichtet, gibt es hinsichtlich so einer Zusammenarbeit bereits Gespräche zwischen der Klinik Norddeich und der Stadt Norden.

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