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31. Januar 2024, 15:00 Uhr

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Ostfrieslands Zahnärzte schließen ihre Praxen

Morgen streiken mehr als die Hälfte der Zahnärzte in Norden und Ostfriesland um auf die Verfehlungen der Gesundheitspolitik aufmerksam zu machen.

Lesedauer: ca. 3min 13sec
Ostfrieslands Zahnärzte schließen ihre Praxen

NordenUm auf die aus ihrer Sicht verfehlte Gesundheitspolitik der Bundesregierung aufmerksam zu machen, bleiben viele Zahnarztpraxen in Ostfriesland am Donnerstag, 1. Februar, geschlossen. In Norden wird sich voraussichtlich die Hälfte der Praxen an der Aktion beteiligen, sagt Dr. Andreas Dohle, Mitorganisator der Proteste und Zahnarzt in Norden. In diesem Jahr sind bisher vier Protesttage geplant.

„Die Zahnärzteschaft ist nicht dafür bekannt, bei Kleinigkeiten sofort aufzubegehren. Doch jetzt ist das Maß überschritten“, teilte die Bezirksgruppe Ostfriesland des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ) mit. Der FVDZ ist nach eigenen Angaben der größte unabhängige zahnärztliche Berufsverband in Deutschland.

Die Zahnärzte fordern, die erbrachten zahnärztlichen Leistungen vollständig zu vergüten, die Budgetierung abzuschaffen, die 35 Jahre alte Gebührenordnung „der Realität anzupassen“ und den bestehenden bürokratischen Aufwand sofort zu reduzieren. „Für eine völlig unzureichende zahnärztliche Finanzierung seitens der Primärkrankenkassen ist keine ausreichende Patientenversorgung leistbar“, so Dr. Stephan Gebelein, Zahnarzt aus Wittmund und Vorsitzender des FVDZ in Ostfriesland.

Mediziner beklagen zu viel Bürokratie im Praxisalltag

Die niedergelassenen Zahnärzte seien sauer und enttäuscht von der Gesundheitspolitik. „Die bürokratische Belastung für die Kollegenschaft und unser Fachpersonal ist zu hoch. Wir verbringen viel zu viel Zeit am PC. Anstatt uns um die Beschwerden der Patienten zu kümmern, verwalten wir den Mangel im Gesundheitssystem“, erläutert Dr. Michael Debbrecht. Er ist Zahnarzt in Papenburg und Vorsitzender der Bezirksstelle Ostfriesland der Zahnärztekammer Niedersachsen.

Der Zahnärztemangel in vielen ländlichen Regionen führe schon jetzt dazu, dass Patienten länger auf Termine warten müssen oder erst gar keinen Hauszahnarzt finden. Die zurzeit bestehende Planungsunsicherheit in den Zahnarztpraxen und die Verunsicherung über die weitere wirtschaftliche Entwicklung bei extrem gestiegenen Praxiskosten werde dazu führen, dass noch mehr Praxen ohne einen Nachfolger altersbedingt schließen.

Notdienst in Georgsheil und Aurich

Die Protestaktion werde sich morgen vor allem auf Ostfriesland und Aschendorf konzentrieren. So würden sich an der Aktion in Ostfriesland die Hälfte der Praxen teilnehmen. Dohle aus Norden würde sich wünschen, dass mehr seiner Kollegen sich an der Aktion beteiligen würden. „Für die Protesttage wurde ein Notdienst in Georgsheil und Aurich eingerichtet“, sodass Schmerzpatienten definitiv versorgt werden können. Dohle empfiehlt daher, sich noch einmal zu informieren, ob die für morgen gemachten Zahnarzttermine stattfinden können oder ob sich die Praxis am Streit beteiligt.

Der Notdienst wird voraussichtlich in Georgsheil und Wittmund eingerichtet, so Dohle. „Leider ist es für unseren Bereich normal, dass für den Notdienst weite Strecken gefahren werden müssen“, so Dohle. Der Protest der Zahnärzte werde sich über vier Tage erstrecken: Nach dem 1. Februar sollen die teilnehmenden Praxen auch am 28. März, am 8. Mai und am 21. Mai geschlossen bleiben. Die Daten seien laut Dohle so gewählt worden, dass der Protest nicht „auf dem Rücken der Patienten“ ausgetragen werde. Denn die Tage liegen in der Nähe von gesetzlichen Feiertagen, sodass viele Praxen ohnehin für den Tag ihre Türen geschlossen lassen würden.

Versorgung in Ostfriesland nur bei 70 Prozent

Henner Bunke, der Präsident der Zahnärztekammer Niedersachsen, forderte bereits im November grundlegende Änderungen in der Gesundheitspolitik, um die zahnärztliche Versorgung im Bundesland zu sichern. Die inhabergeführten Praxen müssten wieder „adäquate Honorare erhalten, unbudgetiert und verlässlich dynamisiert“, so Bunke. Nur so könne Fachpersonal gehalten und die Versorgung stabilisiert werden.

Die Zahnärzte kritisieren vor allem das im Jahr 2022 verabschiedete sogenannte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Wegen der strengen Budgetierung fehlten die Mittel für die Prävention. Zudem stellten die Einsparungen eine Gefahr für die flächendeckende zahnärztliche Patientenversorgung vor allem in ländlichen und strukturschwachen Regionen in Deutschland dar.

Nach Angaben der kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen sind schon jetzt bestimmte Regionen des Landes unterversorgt mit Zahnärzten – in Ostfriesland etwa liege die Versorgung nur bei 70 Prozent. „Im letzten Jahr hätte ich meine Praxis bereits im November für den Rest des Jahres schließen müssen“, sagt Dohle. Denn ab da waren die Gelder der Primär-Krankenkassen, wie der AOK, aufgebraucht und es wurden nur noch die nötigsten Behandlungen durchgeführt, für die keine Kosten übernommen wurden. Die sogenannten Primär- und Ersatzkassen bilden zusammen die gesetzliche Krankenversicherung.

Notdienst haben Fangmann-Thöle in Georgsheil zu erreichen unter 04942/1307 und Triebe in Aurich zu erreichen unter 04941/5752. Diese sollten nur bei akuten Schmerzen aufgesucht werden. Für alle weiteren Behandlungen warten sie, bis ihr Hauszahmarzt wieder öffnet.

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