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19. November 2024, 06:00 Uhr

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Was man von den Toten lernt

Im Rahmen der Krimi- und Gruseltage gibt der Hamburger Rechtsmediziner Prof. Klaus Püschel Einblicke in seine Arbeit. Er erzählt, wie ein Serienmörder dank seiner Hilfe überführt wurde. Und auf welchem Örtchen „gerne“ gestorben wird.

Lesedauer: ca. 2min 48sec
Prof. Klaus Püschel gewährte einen Einblick in seine langjährige Arbeit als Rechtsmediziner.

Prof. Klaus Püschel gewährte einen Einblick in seine langjährige Arbeit als Rechtsmediziner. © Foto: Meret Edzards-Tschinke

Norden Auf dem Tisch standen drei Schädel. Professor Klaus Püschel, langjähriger Leiter der Hamburger Rechtsmedizin, hatte sie für seinen Vortrag anlässlich der Norder Krimi- und Gruseltage mitgebracht und ließ die Anwesenden im vollbesetzten Krimimuseum raten, wem die Schädel gehörten. Da war der von Adolf Hitler, erkennbar am Einschussloch. Klaus Störtebekers Kopf, durch den man nach der Enthauptung einen Nagel geschlagen hatte. Und Klaus Püschels eigener Schädel. Eine Nachbildung, das Geschenk seiner Kollegen. Der steht normalerweise auf dem Schreibtisch des Rechtsmediziners, der erklärte, dass er kein Pathologe sei. Pathologen beschäftigen sich, anders als es Krimis erläutern, mit dem Leben. Der Tod falle in das Metier des Rechtsmediziners.

Und mit dem müsse Püschel gefühllos umgehen. Für ihn gelten nur Fakten. „Da bin ich eiskalt. Weinen kann ich bei einer anderen Gelegenheit.“

Entsprechend seiner Einstellung verlangte Püschel vom Plenum, es ihm an diesem Abend gleichzutun. „Wir dürfen heute mal abschalten“, meinte er. „So wie bei einem Krimi denken wir heute Abend nicht an das Leid hinter den Fällen.“ Das fiel nicht immer leicht, zum Beispiel, wenn er erzählte, wie man einen totgeschüttelten Säugling erkenne.

Spannend und informativ waren Püschels Einblicke aber auf jeden Fall. So erläuterte er, dass es in Mexiko bis zum 3. Januar bereits so viele Morde gäbe, wie im Krimiland Deutschland im gesamten Jahr. Er selbst, ein „Hausarzt für Gewalt und Vergiftung“ mit potenziell vier Millionen Patienten im Jahr, arbeite zudem antizyklisch: Wenn Hausärzte wie der Großteil der Bevölkerung in das Wochenende starteten, käme es vermehrt zu Gewalttaten. Entsprechend müsse er vornehmlich von Freitagnachmittag bis Sonntagabend arbeiten.

Kritik am System

Der Rechtsmediziner sparte des Weiteren nicht an Kritik. Heute würden zum Beispiel nur zwei Prozent der Toten untersucht. Früher seien es 30 Prozent gewesen. Das wäre gut für das Gesundheitssystem. „Ich will alle Toten untersuchen“, sagte Püschel. „Ich will von den Toten lernen.“ Und was er gelernt hatte, vermittelte er den Anwesenden: Püschel präsentierte Leichenfotos, auf denen man erkennen konnte, wie und wo Menschen gestorben waren. Dass dies zuweilen das stille Tatörtchen war, erkennbar am runden Leichenfleck am Gesäß, sorgte für allgemeine Heiterkeit. Die Erklärung, dass Menschen oft auf der Toilette sterben, war eine Info, die vielleicht nicht nützlich, aber interessant war.

Unfassbare Ermittlungen

Dass ein Allgemeinmediziner einen Suizid nicht erkannt hatte, weil er die Leiche nicht bewegt hatte, sorgte hingegen für Kopfschütteln. So wie vieles, über das Püschel im zweiten Teil des Abends berichtete. Denn er sezierte die „Göhrde-Morde“, zwei Doppelmorde im niedersächsischen Forst 1989. Püschel wurde im selben Jahr mit den Fällen konfrontiert, als Birgit Meier aus Lüneburg verschwand, ihrerseits Schwester des ehemaligen LKA-Chefs Wolfgang Sielaff. Sielaff vermutetet einen Mord, ein Verdächtiger, Kurt-Werner Wichmann, wurde ausgemacht, entzog sich weiterer Ermittlungen aber mittels Freitod. Während die zuständigen Ermittler Spuren nicht oder nur unzureichend auswerteten, ging Sielaff mit einer von Püschel als „Senioren-Truppe“ betitelten Abteilung auf private Suche, um den Fall Birgit Meier und die Göhrde-Morde zu klären. Und tatsächlich: „Die Senioren retten die Welt“, erklärte Püschel hinsichtlich des Erfolgs. Wichmann konnte 2017 als Meiers Mörder überführt werden, die Göhrde-Morde seien ihm auch anzulasten. Püschel vermutet zudem, dass Wichmann für 80 bis 90 weitere Morde verantwortlich ist. Seine Schlussfolgerungen waren nachvollziehbar, und man wünscht sich, dass Püschel im kommenden Jahr wieder nach Norddeich kommt, um – wie zum Ende angefragt – den Tod von Klaus Störtebeker zu analysieren.

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