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4. Februar 2024, 22:09 Uhr

„Was rauf kommt, muss auch wieder runter“

Präzise muss ein Lkw auf der Ladefläche des Inselentsorgers Störtebeker manövrieren, um den Müll von bis zu 14 Tagen zu lagern. Denn irgendwie muss alles, was auf die Insel kommt, auch irgendwann wieder herunter.

Lesedauer: ca. 3min 37sec
Präzise steuert Büscher den Lastwagen bis zur Wasserkante beim Verschieben der Container.

Präzise steuert Büscher den Lastwagen bis zur Wasserkante beim Verschieben der Container. ©

Norden Mit einem Kran werden die zehn Tonnen schweren Container auf die „Störtebeker“ geladen. Mit jedem neuen Behälter, der auf dem Schiff abgesetzt wird, schwankt die „Störtebeker“ in den Wellen. Gleichzeitig werden weitere Container mit einem Lkw auf der kleinen Ladefläche an ihren endgültigen Platz manövriert. Das kreischende Geräusch der metallenen Rollen hallt durch den Juister Hafen. Zwölf Container passen dicht an dicht auf das Schiff. Um diese richtig zu platzieren, muss Matrose Wilfried Büscher den Lkw jedes Mal bis an die Grenze der Laderampe fahren. Eine Reifenbreite zu weit und der Lastwagen landet in der Nordsee.

„Was rauf kommt, muss auch wieder runter“

Auch Müll muss zurück auf das Festland

Abseits der regulären Fähren liegt die „Störtebeker“ im Osthafen. Hier wartet das Schiff darauf, ihren wichtigen Entsorgungsdienst zu leisten. Denn der Inselentsorger, ein sogenanntes RoRo-Schiff – bedeutet, es kann über eine Rampe Be- und Entladen werden – und für die Müllentsorgung der Inseln zuständig. Alle zehn bis 14 Tage geht es nach Baltrum, einmal die Woche nach Juist und dreimal die Woche nach Norderney. Mit 45 Metern und zweimal 400 PS, ist es wahrscheinlich Nordens größtes Abfallsammelfahrzeug und gehört zur AG Reederei Norden-Frisia.

Die „Müllmänner zur See“ sind Kapitän Marcus Poppinga und sein Matrose Wilfried Büscher. Seit 2015 sind die beiden zusammen unterwegs: „Nächstes Jahr haben wir unser Hochzeitsjubiläum“, sagt Poppinga scherzhaft. Denn die gemeinsame Zeit auf dem Frachter schweißt zusammen. Wobei es für sie ein Frachttransport ist wie jeder andere auch. „Was auf die Insel kommt, muss auch irgendwann wieder herunter“, sagt Poppinga und dafür seien sie zuständig. Egal ob Bauschutt, Hausabfälle, Sträucher oder Tiere. Auch einen Wal haben sie schon einmal transportieren müssen. Gerade Container mit Biomüll neige dazu, im Sommer zu riechen. „Aber was soll man erwarten, wenn ein Container bereits seit 14 Tagen am Hafen steht.“ Sollte die „Störtebeker“ einmal keinen Müll transportieren müssen, wird auch Material für den Offshore-Bereich mit ihr ausgeliefert.

Marcus Poppinga (vorne) und Wilfried Büscher fahren seit 2015 gemeinsam auf der „Störtebeker.“

Marcus Poppinga (vorne) und Wilfried Büscher fahren seit 2015 gemeinsam auf der „Störtebeker.“ ©

Entspannte Überfahrt

Am Donnerstag fuhren Poppinga und Büscher zur Insel Juist. Im Osthafen in Norddeich werden zwölf Container aufgeladen, alles Leergut, die gegen die vollen Container ausgetauscht werden. Zum Schluss kommt auch ein Lkw mit auf das Schiff. Mit diesem werden die Container an ihre passenden Positionen gerückt. „Die Überfahrt ist eigentlich immer ruhig“, sagt Büscher. Das ist etwas, was ihm an seiner Arbeit an Bord besonders gefällt.

Damit das Beladen und Löschen problemlos funk-tioniert, beginnt die Fahrt bei auflaufendem Wasser. „Bei der Tide sind ansonsten nur die kleinen Fährboote unterwegs“, erzählt Poppinga. Auf der Hinfahrt zur Insel Juist, reicht das Wasser in der Fahrrinne gerade eben für die „Störtebeker“. Mit geschätzt 70 Zentimeter Wasser unterm Kiel, stößt der Rumpf an engen Stellen am Meeresgrund auf. „Mut zur Lücke muss man haben“, sagt Poppinga, während er das Schiff präzise steuert. Durch das Hochwassers auf der Rücktour kann der direkte Weg zurück nach Norddeich genommen werden.

Olaf Hollwedel platziert die Abfallcontainer der Insel Juist auf dem Schiff.

Olaf Hollwedel platziert die Abfallcontainer der Insel Juist auf dem Schiff. ©

Klein Hamburg

Während auf Baltrum, Norderney und in Norddeich die Container über die Rampe geladen und gelöscht werden, gibt es auf Juist etwas Besonderes: einen Containerterminal. „Das ist wie im Hamburger Hafen, nur etwas kleiner“, beschreibt Poppinga die Verladestation. An dieser winkt ihnen bereits aus der Ferne Olaf Hollwedel entgegen. Er ist auf Juist verantwortlich und übernimmt das Löschen und Beladen der Störtebeker mit dem Portalkran. Büscher fährt währenddessen die Container mit dem Lastwagen an Bord immer wieder auf Position.

„Bis in die 70er gab es auf der Insel noch eine Deponie“, erinnert sich Hollwedel. Dann hat der Landkreis Aurich die gesamte Müllentsorgung auf Recycling umgestellt und seit 1991 ist die „Störtebeker“ als Inselentsorger im Einsatz. Zu Beginn habe niemand mit der heutigen Auslastung des Containerplatzes gerechnet. „Ursprünglich war das hier auf sechs Container ausgelegt“, so Hollwedel, heute sind es zwölf, die einmal die Woche verladen und getauscht werden. Von außen werden die Container mit Bändern markiert, um den Lastwagenfahrern zu zeigen, was sich im Inneren befindet. Knapp 100 Tonnen Müll. Maximal 400 Tonnen kann die „Störtebeker“ transportieren. Nach rund einer Stunde sind alle Container ausgetauscht. „Morgen wieder?“, fragt Büscher Hollwedel, welcher mit einem Lachen abwinkt: „Mach mal lieber nächste Woche Donnerstag daraus.“ Einen festen Fahrplan haben Poppinga und Büscher nicht, alles wird mit den Inseln abgesprochen. Zudem sind Baltrum und Juist von der Tide abhängig. Norderney ist zwar jederzeit erreichbar, dort dauert das Be- und Entladen jedoch bis zu vier Stunden, je nach Tageszeit und Verkehr. Auch der Wind darf nicht zu stark wehen.

Zurück in Norddeich wird die Rampe heruntergelassen, der Ankerpfahl gesetzt und Büscher löscht die Müllcontainer. Früher mussten sie diese noch selbst nach Großefehn zur Materialkreislauf- und Kompostwirtschaft Gesellschaft (MKW) bringen. Jetzt genügt das Aufstellen. An Feierabend ist aber noch nicht zu denken. „Auf dem Schiff gibt es immer was zu tun“, sagt Poppinga. Kleinere Reparaturen, Malerarbeiten, Ölwechsel. Zusammen halten sie die „Störtebeker“ in Schuss, damit die Inseln weiterhin von ihrem Müll befreit werden können.

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